Houston, via have a problem

Wir – die Mitglieder dieser ominöse Internetgemeinde – haben ein Problem. Wir mögen keine Plagiate. Plagiate setzen wir gerne mit Abschreiben gleich, mit dem unerlaubten Kopieren geistigen Eigentums. Wir mögen keine Plagiatoren. Das ist verständlich. Schließlich stammt der Ursprung des Wortes aus dem Französischen. Und da bedeutet plagiaire „Dieb geistigen Eigentums”. Und so etwas gehört verboten.

Wir mögen es nicht, wenn Diebe sich bereichern. Am Eigentum und den Ideen anderer. Dann eröffnen wir irgendwelche Seiten, rufen Skandal, Skandal, Skandal, machen uns lustig und fühlen uns gut dabei. Denn wir haben etwas aufgedeckt, jemanden des Kopierens oder Diebstahls von geistigem Eigentum überführt. Dann lehnen wir uns zurück, trinken eine Flasche Club-Mate und sonnen uns in unserem Erfolg.

Dabei sind wir gar nicht besser.

Wir kritisieren, dass Inhalte einfach übernommen und keine Quellen genannt werden. Wir regen uns auf, dass dreist kopiert wird. Wir schreien auf, wenn sich jemand mit den Federn eines anderen schmückt. Und trotzdem tun wir nichts, um es besser zu machen. Häufig sind wir sogar noch viel dreister – davon will ich mich gar nicht ausnehmen.

Ein kleines Beispiel:

Am Dienstag veröffentlichte Martin Giesler vom Social Media Watchblog folgenden Tweet:

Darin eingebettet war eine Grafik, die anlässlich einer Produktvorstellung von Facebooks neuer Software „Facebook Home“ entstanden war und die Frage beantwortete, wie denn ein tatsächliches Haus von Facebook aussehen könnte. Eine lustige kleine Spielerei, nicht mehr und nicht weniger. Aber solche Sachen mögen wir ja. Und darum dauert es in der Regel nie besonders lange, bis so ein Werk nach der ersten Veröffentlichung im Netz die Runde macht.

Wer sich  die Arbeit macht, den Tweet von Martin (dem ich hier absolut keinen Vorwurf machen will) zurückzuverfolgen, der landet zunächst auf einer Tumblr-Seite mit dem Titel 120sekunden. Auch die gehört dem Twitter-Account-Inhaber. Dort sammelt und postet er laut eigenen Angaben „Links, Videos, GIFs, Grafiken, Fotos, schlecht recherchierte Schnellschüsse und alles, was nicht ins Blog kommt“. So auch die Grafik. Ganz klein findet sich dann unter der Zeichnung das Wörtchen „via“. Was will uns der Autor damit sagen?

Via ist eine ehemalige britische Automarke. Via ist auch ein ÖPNV-Gemeinschaftsprojekt der Städte Duisburg, Essen und Mülheim. Und Via ist das lateinische Wort für Straße. Das passt alles irgendwie nicht richtig. Aber was ist mit via als Synonym für das Wort „über“? Das könnte klappen. Denn hinter via versteckt sich ein Link. Und wer diesem folgt, der landet auf neatorama.com – einer Seite voller lustiger kleiner Dinge. Und was findet sich hier? Natürlich: Wieder die schicke Facebook-Grafik, wieder mit einem kleinen „via“ am Ende.

Und von dort geht die Reise weiter. Nächster Stopp: Ein Blog beim Google-Projekt Blogspot namens Nag on the Lake. Auch hier werden wieder jede Menge hübsche, lustige und interessante Bilder gelistet.

Auf der Suche nach der ursprünglichen Quelle geht es auf der Via-Welle weiter. An dieser Stelle tritt Mashable auf den Plan, eine Internetseite, die sich auf die Verbreitung von Informationen vor allem aus dem Bereich Technologie spezialisiert hat. Hier wird dann tatsächlich erstmals erwähnt, dass die Facebook-Grafik, die man zuvor bereits auf vier verschiedenen Seiten anschauen konnte, bei Mashable mit Genehmigung der Autoren veröffentlicht wurde – „Published with permission; all rights reserved.“ Diese werden auch artig genannt, selbst ein Link zum Original wird gesetzt: „Comic illustration provided by The Joy of Tech.“

Und so schließt sich nach einer langen Reise der Kreis. Wir wissen nun: „If Facebook made a real Facebook Home“ stammt aus der Feder von Nitrozac und Snaggy von The Joy of Tech (ok – das haben wir schon vorher gewusst, es steht ja im Bild. Aber das ist selten der Fall). Hätte man sich hingesetzt und wäre einfach kurz den Links gefolgt, so wäre es kein Problem gewesen, einfach auf das Original zu verlinken. Auf der Ursprungsseite gibt es sogar eine Share-Funktion, wie man sie heute bei den meisten Onlineangeboten findet. Aber das macht natürlich ein wenig Arbeit und schmälert den Traffic auf eigenen Seiten und die Reputation im Netz.

Und trotzdem: Warum nicht einfach mal hinsetzen, Google anwerfen, ein paar Links folgen und die Urheber würdigen? Das tut nicht weh, kostet eigentlich auch nicht viel Zeit. Und bei unseren Abschlussarbeiten haben wir es in der Regel schließlich auch gemacht.

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