Meerkat: Sind Erdmännchen die Zukunft des Journalismus?

Erdmännchen. Alles voller Erdmännchen. Seit ein paar Tagen bevölkern die süßen Tierchen nun schon Twitter, und vor allem US-Tech-Journalisten scheinen Gefallen daran zu finden. Schuld ist natürlich eine App.

Meerkat heißt ein Programm, das immer mehr Anhänger findet. Meerkat ist die englische Bezeichnung für Erdmännchen. Damit das auch jeder erkennen kann, ziert ein stilisiertes Tier das Logo der iOS-App. Wer das Programm öffnet, der wird zunächst gebeten, sich mit seinem Twitter-Account zu verbinden. Ohne funktioniert es nicht. Ist das geschehen, kann man auch schon loslegen. Doch womit eigentlich?

Auf dem Papier ist Meerkat lediglich eine weitere Möglichkeit, Videos aufzunehmen und diese in Echtzeit mit anderen zu teilen. Neu ist lediglich die enge Verknüpfung mit Twitter. Genau da wird es aber interessant. Wenn ein Nutzer beginnt, ein Video zu übertragen, werden seine Follower sowohl auf Twitter als auch per Hinweis durch die Meerkat-App selbst darüber informiert.

Mike Isaac von der New York Times ging am Donnerstag zum Beispiel mit seinem Smartphone einkaufen und nahm jeden mit, der sich dafür interessierte. (Ganz am Ende bezeichnete er Meerkat als die Zukunft des Journalismus. Das war natürlich nur ein Witz.)

Doch wie genau funktioniert Meerkat nun eigentlich? Wer auf einen mrk.tv-Link klickt, der landet direkt beim Video und kann den Stream live verfolgen – ganz egal mit welchem Betriebssystem oder Gerät er unterwegs ist. Mit diesem Ansatz unterscheidet sich Meerkat auf den ersten Blick nur wenig von Alternativen wie Googles Hangouts oder Livestream. Wirklich interessant wird es bei den Interaktionsmöglichkeiten.

Ein aktueller Beitrag lässt sich nämlich innerhalb der App jederzeit faven, kommentieren und teilen – im Einklang mit Twitter. Wer also eine Frage hat, kann diese ohne große Probleme stellen. Sie wird dem Urheber des Videos und allen anderen Zuschauern dann am unteren Bildschirmrand angezeigt – während oben die Aufnahme weiterläuft. Gleichzeitig ist der Kommentar aber auch eine Antwort auf Twitter, ein sogenanntes Reply auf den Ursprungstweet.

Wird die Übertragung beendet, verschwindet auch das Video. Der Urheber hat allerdings die Möglichkeit, die Aufnahme im Anschluss zu speichern und bei Youtube und ähnlichen Plattformen hochzuladen. Wenn er es denn will.

Ein paar Meerkat-Versuche von Journalisten,

Ein paar Meerkat-Versuche von Journalisten,

Auf Twitter ist die Zahl der Erdmännchen-Erwähnungen in den vergangenen Tagen stark gestiegen. Selbst Hollywood-Stars wie Ashton Kutcher haben bereits Meerkat-Videos aufgenommen und geteilt. Hinter der App steckt das US-amerikanische Start-up Life On Air um Firmenchef und Mitgründer Ben Rubin. Der Jungunternehmer musste bereits in der Vergangenheit erfahren, wie umkämpft und schwierig der Markt mit Videolösungen ist. Life On Air hieß ursprünglich Yevvo. Die erste App der Firma setzte ebenfalls auf Live-Übertragungen von Videos. Nach einem viralen Höhepunkt 2013, einer Finanzierungsrunde über 3,6 Millionen US-Dollar und gut 300.000 Nutzern wurde irgendwann der Stecker gezogen und stattdessen auf ein neues Programm namens Air gesetzt. Im Gegensatz zu Yevvo setzte man dabei auf Privatsphäre. Zuschauen konnte nur, wer eine Einladung hatte.

Mit dem Erfolg von Meerkat dürfte nun auch Air bald Geschichte sein. Nach einem Gespräch mit seinen Investoren hat sich Rubin vor ein paar Tagen dazu entschieden, alle Ressourcen auf die Weiterentwicklung von Meerkat zu konzentrieren.

Ob sich Meerkat durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Wirklich überraschend wäre es allerdings nicht, sollte der App ein ähnliches Schicksal wie Ello, Yo und Secret drohen. Sie alle waren zwischenzeitlich in Medien und Blogs gefeiert worden, nur um kurze Zeit später wieder ein Schattendasein zu fristen. Der Kurzlebigkeit neuer Hypes ist sich Firmengründer Rubin daher auch bewusst. In einem Interview mit Gigaom erklärte er am Donnerstag: „Die Menschen sind angesichts der neuen Möglichkeit des Live-Streamings begeistert. Doch das wird irgendwann abklingen.“ Er habe keine Ahnung, was in einer Woche sei. Stattdessen würde er sich immer wieder sagen: „Glaub nicht an den Hype!“.

Ein Pluspunkt von Meerkat ist die enge Verknüpfung mit Twitter. Über neue und geplante Live-Streams der Nutzer werden deren Follower immer rechtzeitig in ihrer Timeline informiert, sie können einschalten und kommentieren. Gleichzeitig ist diese Abhängigkeit allerdings auch ein großes Risiko. So gab es in den vergangenen Tagen bereits Probleme, weil Kommentare innerhalb der App nicht mehr auf Twitter einliefen.

Das Problem wurde schnell gelöst. Trotzdem kann es theoretisch jederzeit wieder passieren. Sollte Twitter irgendwann eine ähnlich Lösung anbieten oder einen Meerkat-Konkurrenten übernehmen, dann ist davon auszugehen, dass man dem Start-up weitere Steine in den Weg legt und den Zugang zur Programmierschnittstelle komplett sperrt. „Sie haben sicherlich irgendetwas eingebaut, ich bin mir sicher, dass sie an etwas arbeiten. Sie müssen es tun“, sagt Rubin.

Bis es soweit ist, dürfen Journalisten und andere Nutzer mit der Meerkat-App jedoch noch ein wenig experimentieren. Ganz egal ob bei einem Blick hinter die Kulissen, beim Weg durch den Schneesturm in New York oder beim Kauf des Mittagessens und einer Diskussion über die Zukunft des Journalismus: verschiedene Beispiele für die redaktionelle Verwendung der App haben bereits die Runde gemacht. Es werden sicherlich noch einige folgen.

Meerkat – Was man über die App wissen muss:

  • Das Programm ist kostenlos.
  • Nur iOS-Nutzer können Aufnahmen machen, alle anderen können sie sehen.
  • Wer nicht einschaltet, kann sich das Video später nicht noch einmal ansehen (very snapchaty).
  • Während einer Aufnahme kann zwischen vorderer und hinterer Kamera gewechselt und das Blitzlicht eingeschaltet werden.
  • Auch wenn sich die Hochkantperspektive anbietet – die App funktioniert auch horizontal, allerdings wird dann einfach auf Porträt-Modus gecroppt. Das bedeutet, dass Dinge am Rand des Bildschirms wegfallen. Hochkant ist also die bessere Wahl.
  • Streaming-Sessions können im Vorfeld geplant und angekündigt werden.
  • Die Übertragung ist verzögert. Zwischen 10 und 20 Sekunden sind es in der Regel. Darum nicht ungeduldig werden, wenn auf Fragen nicht sofort durch die Zuschauer reagiert wird.
  • Die Zuschauer werden mit ihren Profilbildern oben im Bildschirm angezeigt. Allerdings verschwinden sie nicht sofort, wenn sie den Stream ausgeschaltet haben. Es kann also vorkommen, dass man nur für sich selbst eine Meerkat-Session macht, weil bereits alle Zuschauer weg sind.
  • Meerkat beeinträchtigt doch sehr die Akkulaufzeit des Smartphones.
  • Und nicht vergessen: Meerkat-Sessions brauchen Datenvolumen.
  • Erdmännchen!!

Und hier ein Video vom Wochenende. Ich war im Zoo und habe Erdmännchen gesucht.

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