Uber – Taxifahren mit der Oberklasse

Travis Kalanick ist an diesem Sonntag mit dem Taxi gekommen. Hätte der Fahrer gewusst, wen er da zur Holzmarktstraße im Osten Berlins transportiert, vielleicht hätte er etwas gesagt. Vielleicht hätte er die Fahrt auch gar nicht angenommen. Denn Kalanick gilt vielen in der deutschen Hauptstadt als Feindbild. Er will den Taximarkt aufmischen. Doch von seinen Plänen sind längst nicht alle überzeugt.

Travis Kalanick ist Chef von Uber. Gegründet im März 2009 und zunächst vor allem in US-Großstädten im Einsatz, expandiert das Unternehmen jetzt auch immer stärker auf der anderen Seite des Atlantiks. Über 30 Städte sind es mittlerweile weltweit, neun davon in Europa. Nach Berlin im Januar 2013 ist das Angebot seit dem 12. Juni auch offiziell in München verfügbar.

Uber vermittelt Oberklassen-Fahrzeuge wie den Audi A8 oder die Mercedes S-Klasse von ortsansässigen Limousinen-Vermietern samt Fahrer an zahlungswillige Kunden. Das Start-up aus den USA besitzt selbst keine Fahrzeuge oder Fahrer – stellt aber die Infrastruktur zur Verfügung. Per Smartphone-App oder SMS können die Autos zu einem bestimmten Ort gerufen werden. Bezahlt wird bargeldlos über das Programm.

Das klingt zunächst wie ein ganz normales Taxi-Unternehmen. Doch Uber möchte etwas Besonderes sein, sich aus der Masse abheben. Darum setzt die Firma auf einen gehobenen Service und Limousinen. Wer bei Uber bestellt, bekommt einen Fahrer im Anzug, Ledersitze, ein sauberes Wageninneres und auf Wunsch auch Getränke. Der Gesamteindruck zählt, weiß Kalanick. Und anscheinend kommt er damit in Berlin gut an.

„Die Kunden lieben uns. Die Limousinen-Firmen lieben uns. Wir helfen ihnen dabei, ihr Geschäft auszubauen“, sagt der Firmengründer. „Nur die Taxiunternehmen mögen uns nicht.“ Es gäbe da „diese Dichotomie“. Auf der einen Seite das, was die Menschen wollen, nämlich „Fortschritt und Innovationen“, auf der anderen Seite die Lobby der Taxifirmen. „Und das sehen wir auch in Berlin. Das Spannungsverhältnis ist zwar nicht ganz so groß wie anderswo. Allerdings tendieren diese Dinge dazu, sich zu verschlimmern.“

Detlev Freutel hält die Kritik an Uber für unberechtigt. Der Vorsitzende des Taxiverbandes Berlin sieht im Markteinstieg des Neulings eine logische Verdrängung, die für die etablierten Firmen nur nützlich sein kann. „Speziell in Berlin hat die Taxibranche lange unter einem fehlenden Qualitätsdruck gelitten“, sagt er. Langsam setze sich bei den über 3.000 Einzelunternehmen nun jedoch die Überzeugung durch, dass man sich weiterentwickeln muss. Dass die Standards angehoben werden müssen. Die Kooperation vieler Fahrer mit dem Hersteller der App MyTaxi sei nur ein Beispiel dafür. Weitere müssten folgen.

Kalanick fühlt sich trotzdem in der Defensive, und er hat einige Geschichten auf Lager, um seine Sicht der Dinge zu unterstreichen. Zum Beispiel aus Mailand. Vor einigen Tagen gab es dort eine Veranstaltung von Uber. Lokale Taxifahrer hätten jedoch die Haupteingänge des Konferenzzentrums blockiert, berichtet der 36-Jährige. „Die Menschen mussten durch die Seiteneingänge gehen.“ Die Hälfte der Besucher seien Taxi-Fahrer gewesen. „Sie haben geschrien. Unser General Manager in Mailand und der Leiter des operationalen Geschäfts konnten ihre Vorträge nicht einmal beenden“, sagt Kalanick. Der Grund: „Die Taxibranche in Mailand will keine Konkurrenz.“

Wenn man Kalanick so zuhört, könnte man meinen, die ganze Welt hätte sich gegen ihn verschworen. Er berichtet von Polizeiautos, die ohne triftigen Grund Uber-Fahrzeuge anhalten. Er erzählt von Problemen in Stockholm, von Schwierigkeiten in Paris, von Hürden in den USA. „In Miami wird gerade über eine Gesetzesänderung verhandelt. Die Stadt ist – was Gesetze betrifft – vermutlich die schlimmste, mit der wir es bisher zu tun hatten.

Wenn man in Miami per Telefon eine unserer Limousinen bestellt, und dieses Auto kommt innerhalb von 15 Minuten, dann muss man laut Gesetz noch weitere 45 Minuten warten, bevor man legal einsteigen darf“, erzählt Kalanick. „Hält man sich nicht daran und steigt vorher ein, kann das Fahrzeug beschlagnahmt und der Fahrer festgenommen werden. Das ist der eine Punkt. Der andere ist: Wenn man eine Stunde gewartet hat, und dann nur zehn Minuten zum nächsten Restaurant fahren möchte, muss man trotzdem eine Mindestgebühr von 80 Dollar zahlen.“

Solche Vorschriften gibt es in Deutschland glücklicherweise nicht. Doch auch hier läuft nicht alles reibungslos ab für Kalanick und seinen Deutschland-Chef Daniel Michalczyk. Zum einen gibt es da die Konkurrenz. Die besteht in Berlin neben den normalen Taxifirmen vor allem aus dem Berliner Start-up Blacklane und aus MyDriver – einem Chauffeurdienst des Autovermittlers Sixt. Die sind in Berlin schon länger auf dem Markt als Uber.

Dann gab es Probleme mit den Konzessionen für die Mietwagenfahrer. Weil ein Mitarbeiter des zuständigen Landesamts für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten in Berlin (Labo) anscheinend das Geschäftsmodell von Uber nicht verstand, verweigerte er die Genehmigung. Diese Angelegenheit habe man aber mittlerweile aus dem Weg räumen können, sagt Uber-Deutschland-Chef Daniel Michalczyk.

Petra Rohland, Sprecherin der dem Labo übergeordneten Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin, möchte sich nicht zur Vergabe von Konzessionen an einzelne Unternehmen äußern. Sie erklärt lediglich, dass es in Berlin mittlerweile 7.575 Genehmigungen allein für Taxis gäbe – und diese Zahl steigt weiter an.

Der Deutschland-Start von Uber ist schon ein paar Monate her. Am 16. Januar begann Uber mit der Testphase in Berlin. Anlass war die Fashion Week. Einen Monat später ging es dann richtig los. Zur Berlinale wurde der Limousinen-Service in Deutschland offiziell gestartet. „Wenn wir unser Angebot in eine Stadt bringen, dann aber auch richtig“, sagt Kalanick. „Wir versprechen einiges. Und das wollen wir natürlich auch einhalten.“

Darum werde zu Beginn im Kleinen getestet. So soll herausgefunden werden, wo noch nachgearbeitet werden muss, wo noch Potenzial besteht, wo es sich lohnt, noch etwas mehr zu investieren. „Wir sind flexibel. Wir bringen zusätzliche Autos und Limousinen dazu, wenn die Nachfrage steigt“, sagt der 36-Jährige.

Seinen Fahrern möchte der Unternehmer Einnahmen zwischen 18 und 38 Euro pro Stunde bieten. Dafür müssen die beförderten Gäste laut Uber zwischen 20 und 25 Prozent mehr zahlen als bei einem normalen Taxi. In Berlin will man auf einen Schnitt von 17 bis 22 Euro pro Fahrt kommen. „Aber ich glaube, da sind wir momentan noch nicht angekommen“, gibt Kalanick offen zu. „In Berlin sind für uns vermutlich Fahrzeuge im unteren Hunderterbereich unterwegs. Allerdings haben wir auch gerade erst angefangen. Zu Beginn ist es immer etwas kleiner.“ Eine durchschnittliche Uber-Fahrt kostet etwa 24 Euro. Davon bekommt der Fahrer laut Kalanick dann 80 Prozent.

Das klingt nicht schlecht, wenn man es mit den Löhnen von normalen Taxifahrern in Berlin vergleicht. Die kommen zum Teil auf deutlich unter 10 Euro pro StundeAktuell finden darum auch wieder Tarifverhandlungen statt.

Während die Taxi-Firmen in Uber einen neuen Konkurrenten sehen, stehen die Fahrer dem neuen Wettbewerber anscheinend positiver gegenüber. „Die finden es gar nicht schlecht, dass mal jemand auf die Zustände in der Szene aufmerksam macht“, berichtet Michalczyk. „Einerseits gibt es da die Regulierung – der Fahrpreis ist zum Beispiel festgesetzt. Andererseits gibt es eine große Deregulierung. Die Zahl der Taxis in Berlin ist unglaublich hoch.“

„Berlin ist eine interessante Stadt. Wir sind gerade mal vier Monate dabei – das ist für eine Uber-Stadt noch sehr früh“, sagt Kalanick. „Was an Berlin so spannend ist: Es gibt hier wirklich ordentliche Taxis. Sie können zwar nicht mit unserem Angebot mithalten – allerdings bedeutet das für uns zusätzliche Arbeit: Wir müssen aus der Masse herausstechen. Wir müssen bei der Preisgestaltung den richtigen Punkt treffen. Das ist nicht total neu für uns. In einigen europäischen Städten haben wir ähnliches erlebt – in London zum Beispiel. Aber am Ende hat es immer funktioniert.“

Und weil es auch in Berlin immer besser läuft, musste Kalanick an diesem Sonntag auf ein normales Taxi ausweichen. Denn es gab einen Engpass bei den Uber-Fahrzeugen. Da wollte der Kalanick seinen Kunden nicht auch noch ein Auto wegnehmen. Denn am Ende gilt auch bei Uber: Nur ein zufriedener Kunde ist ein guter Kunde.

Zuerst erschienen auf WSJ.de.

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