Warum Journalisten Twitter nutzen sollten
Immer wieder werde ich von Kollegen und Freunden gefragt, warum ich eigentlich Twitter nutze. Schließlich gibt es doch mit Facebook, WhatsApp und Co. genügend Alternativen, die zum Teil noch viel weiter verbreitet sind. Dann antworte ich meist, dass mir Twitter im Vergleich zu den anderen sozialen Netzwerken einen Mehrwert bietet – sowohl privat als auch bei der Arbeit. Was genau damit gemeint ist, und warum ich täglich bei Twitter vorbeischaue – und wieso auch andere (Journalisten) das tun sollten – habe ich in den folgenden Punkten einmal zusammengefasst. (Für Ergänzungen gerne die Kommentarfunktion nutzen.)
Warum Journalisten Twitter nutzen sollten:
Breaking News teilen: Twitter eignet sich hervorragend als Medium, um eine kurze Meldung zu einer sich abzeichnenden Geschichte zu verbreiten.
Habemus Papam! http://t.co/iPVOoyqbI5 http://t.co/5PumX0XhUc
— Washington Post (@washingtonpost) March 13, 2013
Relevante Geschichten und Inhalte identifizieren, über die diskutiert wird: Daraus lassen sich (Ideen für) eigene Geschichten entwickeln, oder das Thema kann aufgegriffen werden.
Eigene Ideen für Geschichten auf ihre Relevanz hin überprüfen: Viele Journalisten nutzen Twitter, um ihre Gedanken mit den Followern zu teilen. Bekommen sie entsprechendes Feedback, lohnt es sich vielleicht, eine Idee weiter zu verfolgen.
Mit anderen in Kontakt treten: Häufig reicht ein kurzer Tweet oder eine persönliche Nachricht aus, um mit jemandem in Kontakt zu treten, von dem man Informationen oder ein Zitat benötigt.
.@ich_Wais: @SteinmeierDE ist ein Fake-Account. Der Außenminister twittert über @AuswaertigesAmt und @GermanyDiplo.
— Auswärtiges Amt (@AuswaertigesAmt) October 14, 2014
Leser am Entstehungsprozess einer Geschichte teilhaben lassen: Wenn Journalisten über ihre Fortschritte berichten, können sie Interesse erzeugen und eventuelle Fragen der Leser aufgreifen und verarbeiten. Das funktioniert gut im Vorfeld zu Interviews. Wer plant, sich mit dem Chef eines großen Unternehmens zu treffen, kann dies auf Twitter ankündigen und dazu aufrufen, Fragen vorzuschlagen.
Sich mit anderen Journalisten austauschen: Wenn man es selbst nicht zu einem Termin schafft, oder man irgendwelche Informationen nicht bekommen hat, brechen sich Journalisten keinen Zacken aus der Krone, nur weil sie mal bei ihren Kollegen nachfragen. Und auch sonst hat bei Twitter eigentlich jeder ein offenes Ohr für den anderen – und sei es nur beim so genannten Linkfrieden.
Alarm! Linkfrieden in Gefahr! “@SZ: @SPIEGELONLINE Dürfen wir im Sinne des #Linkfrieden bei Kauder-Aussagen um Link auf SZ bitten? Danke!”
— Martin Kaul (@martinkaul) December 1, 2012
Zitate von Followern oder für die Geschichte relevanten Personen aufgreifen: Der Ausdruck „schrieb/sagte auf Twitter“ gehört längst zum ständigen Inventar fast aller journalistischen Darstellungsformen. (Es gibt sogar neue Sonderformen wie die Tweet-Nachlese zum Tatort, die nur auf Twitter-Beiträge setzen.)
Glaubwürdigkeit, Persönlichkeit und Followerschaft aufbauen bzw. stärken: Es mag etwas Zeit in Anspruch nehmen, mit den eigenen Lesern in Kontakt zu treten und als glaubwürdige neue Quelle akzeptiert zu werden. Aber sobald sich ein Journalist eine gewisse Reputation erarbeitet hat, wird er von seinen Followern auch aufgesucht, wenn es mal wieder zu einer Krise kommt. Als Beispiel können hier etwa die WSJ-Reporter Paul Sonne zur Ukraine und Russland sowie Joe Parkinson zur Türkei genannt werden. Aber natürlich kann man sich auch als Reporter zu seinem Fachgebiet (Energie/Banken/Autos etc.) einen Ruf aufbauen – ohne gleich zur Marke werden zu müssen.
Geschichten der Konkurrenz teilen: Zu gutem Journalismus gehört auch, die Leistungen der Konkurrenz zu würdigen. Das gilt in herkömmlichen (Online-)Medien genauso wie in sozialen Netzwerken. Wenn ein Reporter einen Scoop gelandet hat, dann darf man ruhig gratulieren und einen Link zur Geschichte teilen. (Auch wenn man es anschließend vermutlich trotzdem noch mal fürs eigene Medium ab- bzw. nachschreiben muss.)
Feedback der Leser annehmen und aufgreifen: Der Leserbrief stirbt mit seinen Verfassern aus. Und häufig schafft man es als Journalist auch nicht, alle Kommentare unter dem eigenen Online-Artikel im Auge zu behalten. Darum bietet sich Twitter als gute Alternative an. Hier können die Leser in direkten Kontakt mit den Autoren treten – und die Redakteure und Reporter sollten sich dem nicht verschließen, sondern das Feedback als Chance ergreifen, um Leser noch enger an sich zu binden.
Quellen und Ansprechpartner finden: Früher mussten Journalisten oft tagelang herumtelefonieren und suchen, bis ihnen die richtige Person für eine Geschichte über den Weg lief. Das geht mit Twitter heute viel schneller. Jason DeRusha fand so zum Beispiel eine Person, die allergisch gegen Weihnachtsbäume ist. Doch auch wer einen Fachanwalt oder Experten für ein bestimmtes Thema braucht, dem reicht häufig ein entsprechender Tweet – schon gibt es Antworten. Twitter eignet sich also auch, um Zeit zu sparen. Allerdings sollte man das alte Journalisten-Handwerk dabei nicht vollkommen vergessen.
Zur Auslagerung von Ressourcen (Crowdsourcing): Wer sich eine Followerschaft aufgebaut hat, die möglicherweise die eigenen Interessen teilt, der kann sich diese auch zu Nutzen machen. Sei es, um Informationen oder Aussagen abzufragen, weil man es selbst nicht rechtzeitig zu einer Veranstaltung geschafft hat. Sei es, um etwas überprüfen zu lassen, weil man keinen Zugang zu einem Ort, zu einem Land oder zu einem Event hat. Aber manchmal reicht auch der Name einer Person, um herauszufinden, was es mit ihr auf sich hat.
Zum Recherchieren von Geschichten: Immer wieder liest man von Geschichten in den Medien, die über Twitter und Facebook Aufmerksamkeit erhielten und erst anschließend ihren Weg in die „alten“ Medien schafften. Weil heute immer mehr Menschen ihre Eindrücke in sozialen Netzwerken teilen, wäre es fahrlässig, diese einfach zu ignorieren. So genannte Trending Topics helfen dabei, zu erfahren, worüber gerade gesprochen wird. Das kann der #tatort sein. Das kann aber auch #kobane sein.
Live-Reporting: Warum mühsam einen Liveticker bestücken, wenn man ein Instrument wie Twitter zur Hand hat? Wer bei einem Parteitag als Reporter oder auf einer Pressekonferenz dabei ist, der kann seinen Account nutzen, um über die persönlichen Eindrücke und das Geschehen vor Ort zu berichten. Das ist viel schneller, als wenn man erst noch eine Meldung schreiben müsste. Eine Analyse lässt sich später schließlich immer noch nachreichen. Man sollte die Live-Berichterstattung jedoch vorher mit der Redaktion absprechen. So kann sichergestellt werden, dass bereits im Vorfeld über die großen Verlagsaccounts auf das Live-Twittern hingewiesen wird.
Wer bis hierhin durchgehalten hat, dem empfehle ich noch folgende zwei Artikel:
Was Journalisten auf Twitter nicht tun sollten und
Nützliche Twitter-Apps für Journalisten
Pingback: Was Journalisten auf Twitter nicht tun sollten
Pingback: Nützliche Twitter-Apps für Journalisten